Die Oase

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Der Stall meiner Pferde ist meine Oase. Ein Ort der Ruhe und der Behaglichkeit, abseits vom Alltagsstress und manchem gedankenkarussell. Hier entspanne ich. Mit allem Mist, den ich täglich auch bei Starkregen oder Schneegestöber aufsammle. Diese Oase ist charakterisiert durch viel Arbeit: Zäune bauen, ausmähen, neu stecken; Wasserfässer säubern und befüllen; Einstreu wechseln; tonnenweise Sand mittels Schaufel und Schubkarre im Paddock verteilen – ich liebe nicht nur die Pferde, ich liebe diesen Ort der Ruhe und Behaglichkeit. Und dann gibt’s noch den Matsch, der nach tagelangem Regen nicht ausbleibt und mir immer wieder Kopfzerbrechen bereitet.

Exkurs: Das stete Streben des Offenstallbetreibers richtet sich auf die Bekämpfung des Matsches. Er sucht jahrelang nach günstigen Möglichkeiten, Böden legal zu befestigen, da die untere Naturschutzbehörde das Versiegeln der Böden zumeist verbietet. Der Boden im Paddock – dem Auslauf vor dem offenen Stall, der von den Pferden jederzeit freilaufend genutzt werden kann –  wird durch Pferdehufe stark beansprucht. Er verwandelt sich unter Einwirkung von Regen über kurz oder lang immer in schmierigen, häufig stinkenden Matsch, den mit Schubkarre zu befahren, je nach Befüllungsgrad derselben, eine äußerste Herausforderung an Kraft und Balance des jeweiligen Schubkarrenschiebers ist. Nicht zuletzt leidet die Hufgesundheit der Paddockbewohner unter mehr oder weniger hartnäckigem Schlamm. Also gilt es im Interesse aller Beteiligten, diesen zu vermeiden.Zunächst wird mit Schippen und Harken oberflächlich gekratzt und geschoben und in die schon erwähnte Schubkarre verfüllt. Dass das nur eine Symptombehandlung sein kann, ist dabei jedem klar. Langfristige Lösungen  sind häufig allerdings kostspielig, nicht ohne schweres Gerät zu bewerkstelligen oder verboten. Doch diese matschige Seite des Stalllebens ist bei mir weitestgehend durch aktiven körperlichen wie pekunären Einsatz  ad acta gelegt …

Langer Rede kurzer Sinn: Man kann sich sowohl handgreiflich als auch gedanklich, wenn man will, ununterbrochen mit der „Oase“ beschäftigen.

Aber dann geht es mir natürlich auch um die Stallbewohner: Meine Ponys.

„Ach so, du hast Ponys“, höre ich an dieser Stelle oft  verwunderte Freunde und Bekannte sagen. „Nicht Pferde? Ich dachte, du reitest auch.“ Ja, ich reite meine Ponys auch, denn Ponys sind Pferde. Natürlich, räume ich ein, gibt es durchaus Ponys, die man höchstens im Kindesalter reiten sollte, vor allem aufgrund mangelnder Körpergröße der Reittiere. Aber nicht jedes Pony ist das, was der Laie gemeinhin mit dem Begriff „Pony“ assoziiert: Ein kleines, kurzbeiniges, zottiges pferdeartiges Tier, das, obwohl längst dickbäuchig, stets bestrebt ist, den Kopf ins Gras zu stecken – egal ob sein Reiter oder die das Pony führende Person mit ihm ganz anderes im Sinn hat. Das beschriebene Bild trifft in der Regel auf das Klischee des Shettlandponys zu, das selten eine Schulterhöhe (genauer: ein Stockmaß) von mehr als einem Meter erreicht. (Jeder Shetlandpony-Züchter unter meinen Bloglesern wird jetzt wahrscheinlich empört aufstöhnen. Natürlich ist das ein Klischee! Auch Shetlandpony sind häufig sportlich, motiviert, sehr klug und gelehrig, sie werden als Kutschponys eingesetzt, natürlich als Kinderreitponys und vollbringen bei manch talentiertem Halter Kunststücke am Langzügel bis zur Hohen Schule. Doch meist werden sie leider als Rasenmäher mißbraucht – davon werden sie traurig, stur und dick.)

Meine Pferde sind ein Welsh-Partbred (eingetragen im Zuchtuch als Deutsches Reitpony) und ein Islandpferd – beide im Pony-Endmaß. Gerade die Rasse des kleineren, das Islandpferd, wird in der Regel als Sport- und Turnierpferd von ambitionierten Erwachsenen geritten. In Island gibt es keine anderen Pferde, aber sehr viele Reiter. Sie sind mit Recht stolz auf ihre zähen, wendigen und stabilen nur etwa 1,40m großen Pferde. Die meisten Islandpferdereiter bestreiten, Ponybesitzer zu sein. „Pony“ klingt in ihren Ohren diskriminierend. Und der Isländer hat überhaupt kein Wort für „Pony“, bei ihm heißt es immer stolz „Hestar“ – und das bedeutet „Pferd“.

Aber ich bekenne ganz offen: Ich nenne meine Pferde „Ponys“, wenn ich in aller Liebe und Freundlichkeit an sie denke, wenn ich sie begrüße und wenn ich sie lobe. Das Pony ist gemeinhin ein kleines Pferd. Und ist es nicht so, dass Kosenamen immer verniedlichen und verharmlosen? So kann das liebe Hundchen durchaus auch ein Bernhardiner sein. Und das Schatzilein oder Bärchen ist  nicht  selten ein 1,90m großer Ehemann.

Meine beiden Pferde sind also „die Ponys“, weil ich sie so gern mag. Und streng genommen sind Pferde, die kleiner sind als 1,48m Stockmaß (was die Höhe des Widerrists angibt, der sich genau dort befindet, wo der Pferdehals in den Pferderücken übergeht) gemäß der Regeln der Deutschen Reiterlichen Vereinigung auch als Ponys zu bezeichnen. Meine beiden Pferde sind also nicht nur aus emotionalen, sondern auch aus ganz regulären Gründen  unter dem Fachbegriff „Pony“ zu fassen. Das eine 1,46m groß, das andere sogar noch 10 Zentimeter kleiner . Nichts desto trotz sind sie Pferde, gehören zur Gruppe der Equiden (Pferdeartigen).

Also was soll die ganze Aufregung? Ich fahr jetzt jedenfalls zu den Pferden und wenn ich da bin, rufe ich schon am Koppeltor „Hallo Ponys!“ und sie werden mir freudig entgegen brummeln. Wahrscheinlich nicht, weil sie sich mir emotional ähnlich verbunden fühlen wie ich mich ihnen, sondern weil sie ganz zu recht ein paar Heucobs in meiner Jackentasche vermuten.

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